Heimkinder - Herzenskinder

Heimkinder – Herzenskinder

Kinder, die es gar nicht gibt

Von Kindern, die in Wohngruppen und Kinderheimen leben, hört und liest man so gut wie nichts. Es gibt sie quasi gar nicht. Sie sind unsichtbar und kommen in unserem Leben kaum vor. Dabei haben diese kleinen Seelen schon so unvorstellbar viel Leid erfahren, dass es unsere Vorstellung übersteigt. Genau diese "unsichtbaren Kinder" sind in mein Leben getreten, und es werden immer mehr. Ich arbeite mit ihnen in der Wohngruppe und in meiner Praxis und habe sie alle in mein Herz geschlossen. Und - ich gebe es ehrlich zu - sie werden von mir bevorzugt behandelt.

"Bist Du die Logo?"

Als ich das erste Mal in eine Wohngruppe komme, werde ich sofort von mehreren Kindern neugierig umringt. "Bist Du die Logo?", fragen sie mich. Ich antworte: "Nein, ich bin Ute Schräpler." Von da an gehöre ich irgendwie zu ihrem Leben dazu, auch wenn wir uns nur einmal pro Woche sehen. Ich tröste sie, wenn sie gestürzt sind, schlichte, wenn es mal wieder Streit gibt, gönne ihnen Ruhephasen, wenn wie übermüdet sind. Logopädie nach Lehrbuch ist nicht möglich, es braucht immer wieder Geduld und Flexibilität. Tatsächlich bin ich nicht ihre "Logo", sondern ich begleite sie ein Stück in ihrem so schwerlichen Weg.

Besondere Qualitäten der Kinder

Die Arbeit mit den unsichtbaren Kindern ist keineswegs anstrengend, im Gegenteil. Immer wieder entstehen Begegnungen, die mein Herz berühren. Da ist beispielsweise der sechsjährige Karl, der mir aufgeregt entgegenläuft, um mir von seinem ersten Restaurantbesuch zu berichten. Oder Paul, der die Freude über seine neuen Schuhe nicht in Worte fassen kann. Vor allem aber ist es die aufrichtige, tief empfundene Freude, wenn wir mit Zeit zusammen verbringen. Für die Qualität des Miteinanders haben diese Kinder ganz besonders feine Antennen. Sie zeigen mir, was wirklich von Bedeutung, von Wert ist.

"Danke, dass Du mit mir beim Sprechen hilfst"

Ein besondere Stunde ist die mit dem achtjährigen Tom. In der ersten Stunde besprechen wir gemeinsam, wie wir beide zusammenarbeiten könnten. Ich frage ihn: "Darf ich Dir zeigen, wie das Sprechen besser klappt?" - Seine Augen leuchten. "Kommst Du nächste Woche wieder zu mir?" - Tom jauchzt vor Freude "Juhuuu." Wir legen gemeinsam einen Hefter für ihn an, und er darf sich einige Aufkleber zum Verzieren aussuchen. Allein diese winzige Zuwendung bedeutet ihm viel. Tom wählt mit Bedacht und klebt die Sticker mit größter Sorgfalt auf. Als wir uns verabschieden, gibt er mir die Hand und sagt : "Danke, dass Du mir beim Sprechen hilfst." Dann verlässt er meine Praxis, und seine Mutter bringt ihn den weiten Weg zurück zur Wohngruppe.