Das Müllauto als Symbol

"Hast Du mir ein Müllautobild mitgebracht?", fragt mich Woche für Woche der kleine Lukas aus der Wohngruppe. Er liebt Müllautos über alles. "Natürlich, aber lass uns erst noch etwas anderes machen.", antworte ich. Ich schlage ihm eine Aufgabe vor, für die ich ihn je nach Tagesverfassung mehr oder weniger begeistern kann.

Immer das Ziel im Blick

Wir üben zuerst "sprechen & spielen", wie ich es immer nenne, damit meine ich die logopädischen Aufgaben. Die Sprache von Lukas  ist in ihrer Entwicklung weit zurückgeblieben, daher gibt es viel zu tun. Bei den wöchentlichen Therapiesitzungen sollen konkrete Ziele erreicht werden, daher braucht es auch Kontinuität und einen roten Faden im therapeutischen Vorgehen. Meine Arbeit wird daran gemessen, wie sich die Sprache von Lukas verbessert. Es braucht eine gute Balance zwischen logopädischen Übungen und gleichzeitig den Bedürfnissen von Lukas.

Sprechen üben ist nicht alles

Und doch ist es in der Logopädie so viel mehr als einfach nur sprechen üben. Kinder aus den Wohngruppen und Kinderheimen sind meist auch in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung zurückgeblieben. Von daher gestaltet sich die Arbeit anders, es braucht mehr. Und Lukas fordert eben im Moment das Müllauto ein, das für ihn wichtig ist. "Hast Du mir ein Müllautobild mitgebracht?", fragt er wieder. Nein, er hat sein Anliegen nicht vergessen.

Das Müllauto als Symbol

Woche für Woche suche ich Materialen heraus, die etwas mit Müllautos zu tun haben: ein Bilderbuch, ein Puzzle, ein Ausmalbild. Und jedes Mal ist die Freude riesig. Diesmal ist es wieder ein Bild zum Ausmalen: ein großes Müllauto mit einer Mülltonne und dem Müllfahrer. Wir schauen es uns ganz genau an, dann wird es ausgemalt. "Ich kann es nicht!", ruft Lukas verzweifelt und wirft den Stift weg. Auch das passiert jede Woche, obwohl er das Ausmalen für ihn so wichtig ist. Ich nehme seine Hand, und wir malen das Auto gemeinsam aus. Langsam beruhigt er sich wieder.

Der Müll muss weg

Beim Malen sprechen wir über die Funktion des Müllautos: "Der Müll muss weg." - "Warum muss der weg?" - "Na, sonst stinkt es und der Müll liegt überall rum. Dann ist die Straße schmutzig und das Haus auch. Dann ist alles schmutzig." Es ist jedes Mal ein ähnlicher Dialog zwischen uns. Das Müllauto ist einfach ganz wichtig, damit es sauber ist. Genauso verhält es sich mit unserem "seelischen Müll". Wenn wir innerlich regelrecht "vollgemüllt" sind, dann geht es uns nicht gut. Auf diese Art und Weise setzt sich Lukas immer wieder mit seiner seelischen Gesundheit auseinander und hat einen Weg gefunden, der für ihn gerade hilfreich ist.

Auseinandersetzung mit Symbolen

In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder, dass Kinder bestimmte Spielgegenstände einfordern, die eine symbolische Bedeutung haben, ob es nun das Müllauto, Ritter oder Dinos sind. In meiner Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie habe ich die Gelegenheit, mich mit Symbolen auseinanderzusetzen. Sie können uns wichtige Hinweise geben, was der Patient bzw. das Kind gerade für das seelische Wohlbefinden benötigt. Symbole können jedoch nur zu zweit entschlüsselt werden, wenn wir die Zusammenhänge und die Bezüge zum Leben des Patienten verstehen und offen für seine Deutungen sind.