Linolschnitt in der Therapie

Linolschnitt in der Therapie

Linolschnitt in der Therapie

Jonas arbeitet schon einige Jahre mit mir. Nach einer längeren Therapiepause kommt seine Erzieherin auf mich zu und berichtet, dass Jonas schnell wütend wird und sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Im Kinderheim und auch in der Schule kommt es dadurch zu größeren Problemen. Jonas möchte aber nicht über seine Wutausbrüche sprechen, so dass die sprachliche Auseinandersetzung mit dem Thema im Moment nicht dienlich ist.

"Womit möchtest Du arbeiten?"

Als wir uns wiedersehen, frage ich Jonas, womit er arbeiten möchte. "Mit dem Messer.", antwortet er, und ich weiß sofort, was er damit meint. "Ach, Du möchtest wieder einen Linolschnitt anfertigen.", antworte ich zustimmend. Jonas hat bereits vor über einem Jahr damit Erfahrungen gesammelt und ist mit dem Material überaus kreativ umgegangen. Sein konkreter Vorschlag zeigt aber auch, dass auch Kinder in emotional anspruchsvollen Situationen genau wissen, was ihnen gut tut.

Arbeit mit dem Messer

In der Folgewoche lege ich Jonas eine Linolplatte und einen Kugelschreiber auf den Tisch. Er beginnt sofort, etwas auf die Platte zu zeichnen. Es entstehen zwei kraftvolle Figuren, die fast den gesamten Raum einnehmen: Superman und Hulk. Dann nimmt er sich das Messer und schneidet sorgfältig in die Platte. Doch der zierliche Junge wird bald müde. "Machst du weiter?", fragt er mich. Wir wechseln uns ab: ein bisschen arbeite ich, dann wieder er, immer im Wechsel.

Kraftdosierung und Fokussierung

Aus kunsttherapeutischer Sicht hat Jonas intuitiv das perfekte Material für seinen seelischen Zustand ausgewählt. Beim Schneiden benötigt er einerseits einen erhöhten Kraftaufwand, so dass er seine überwältigenden Emotionen regulieren kann. Andererseits muss er sich ganz genau konzentrieren, damit er nicht zuviel wegschneidet. Korrekturen sind im Linolschnitt nicht möglich. Was weggeschnitten ist, ist einfach weg. Es ist ein bisschen wie ein Ventil, mit dem der (innere) Druck reguliert werden kann.

Kraft beim Drucken

Als die Linolplatte fertig ist, wählt Jonas die passende Farbe: erst schwarz, dann blau. Vorsichtig trägt er mit der Walze die Farbe auf. Er ist ganz versunken in seinerArbeit, ruht in sich und wirkt zufrieden in seinem Tun. Auch das Drucken selbst erfordert körperliche Kraft. Mit ganzem Körpereinsatz drückt er mit einem Handreiber auf die Linolplatte. Es strengt ihn sichtlich an, gleichzeitig bereitet es ihm aber auch Freude.

Das Ergebnis

Am Ende der Stunde sind viele Drucke entstanden. Jonas ist stolz auf seine Arbeit. Er hat mit Ausdauer, Konzentration und Sorgfalt etwas Schönes geschaffen. Auf mich macht er einen ausgeglichenen Eindruck. Die Technik des Linolschnitts hat ihn dabei unterstützt, seine Emotionen zu regulieren und vor allem sinnvoll zu kanalisieren.