Sommerprojekt 2022: Kunsttherapie mit Jugendlichen
Endlich sind sie da: die lang ersehnten Sommerferien. Das Schuljahr war anstrengend und zermürbend in diesen ungewöhnlichen Zeiten. Für die Jugendlichen einer Wohngruppe in Halle habe ich ein neues Projekt entwickelt. Wir treffen uns einmal in der Woche und arbeiten kunsttherapeutisch.
Malen mit Jugendlichen - geht das überhaupt?
Die Leitung der Wohngruppe unterstützt mich von Anfang an. Alle Vorbereitungen laufen einfach und unkompliziert, nur in einer Sache machen sich die Erzieher ihre Gedanken: Ob die Jugendlichen überhaupt Interesse haben, am Projekt teilzunehmen und mitzumachen? Und dann auch noch Kunsttherapie? Es ist ja ohnehin ein Alter, in dem die Mädchen und Jungen ihre eigenen Wege gehen und sich in ihre eigene Welt zurückziehen. In der Wohngruppe kommt noch erschwerend hinzu, dass es ihnen schwer fällt, sich an Absprachen zu halten und Termine wahrzunehmen. Es würde also nicht ganz einfach sein.
Aller Anfang ist schwer
Als ich am ersten Tag die Wohngruppe betrete, liegen die meisten Jungs noch im Bett. Nach und nach kommen sie aus ihren Zimmern und frühstücken. Ich setze mich dazu, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es ist nicht ganz einfach. Entweder sprechen die Jungs gar nicht oder sie reden alle laut durcheinander, dass man kaum etwas versteht. Das einzige Mädchen sitzt zurückgezogen in der Ecke. Ich habe schlechte Karten, denn die Jugendlichen sind nur aufgestanden, weil man sie darum gebeten hat. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass sich alles gut entwickeln wird. Es dauert eine Weile, bis wir den Tisch abräumen und gemeinsam beginnen.
Mit Ton den Frust abbauen
Mir ist klar, dass ich am Anfang mit Pinsel und Farbe nicht auf Begeisterung stoße. Aus diesem Grund gebe ich den Jugendlichen Ton in die Hand. Für die meisten von ihnen ist es ein völlig neues Material. Sie haben noch nie damit gearbeitet und erkunden es neugierig. Einer von ihnen kommt auf die Idee, den Tonklumpen auf den Tisch fallen zu lassen, und es enststeht ein lautes Geräusch. Die Gruppe ist begeistert. Plötzlich schlagen alle Jungs ihren Ton mit aller Kraft auf den Tisch, so dass ein ohrenbetäubender Lärm entsteht. Sie können ihre ganze Kraft aber auch ihre Frustration und Wut entladen. Es tut gut, diesen Emotionen freien Lauf zu lassen.
Ich stelle keine Forderungen
Während das einzige Mädchen nach wie vor zurückgezogen in der Ecke sitzt, beginnen die Jungs, ihre Grenzen auszuloten. Sie kennen mich ja nicht. Also provozieren sie mit den Mitteln, wie sie es sonst auch mit Erwachsenen tun. Ich reagiere nicht, und das irritiert sie. Irgendwann sage ich, dass ich nicht ihre Erzieherin bin, sondern mit ihnen einfach die Möglichkeit gebe, zu malen und zu gestalten. Ich will nichts von ihnen und verlange nichts. Sie müssen nichts abliefern und nichts mir zuliebe tun. Die Jungs schauen mich ungläubich an. Plötzlich wird es ruhiger, und es entwickelt sich eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Das Mädchen entscheidet sich zu gehen, während die Jungs sich auf das Gestalten einlassen und im Tun versinken.