Therapie nach Lehrbuch?
Kürzlich kam eine Patientin zu mir in die Praxis, die sich vorher über meinen Werdegang auf meiner Homepage informiert hatte. Sie fragte mich, ob es nicht schwierig sei, das Wissen von der Hochschule auf den Arbeitsalltag zu übertragen. Es war eine interessante Frage, denn jahrelang habe ich Studenten in der Berufspraxis ausgebildet.
Fachwissen ist mein Werkzeugkoffer
Durch die vielen Berufsjahre an Hochschulen habe ich mich intensiv mit fachlichen Fragen auseinandersetzen können. Das ist ein großer Luxus, denn uns Therapeuten bleibt im Berufsalltag oft wenig Zeit zum Nachlesen. So hat sich recht viel Wissen angesammelt, auf das ich zurückgreifen kann. Es ist ein bisschen wie ein Werkzeugkoffer, auf den ich immer Zugriff habe. Das Wissen entwickelt sich aber auch in einem rasanten Tempo immer weiter, so dass ich immer am Ball bleibe.
Routinen in therapeutischen Abläufen
Vor allem Kinder kommen oft mit ähnlichen Problemen, so dass ich genau weiß, wie ich Schritt für Schritt vorgehe und wie wir gemeinsam das Ziel erreichen können. Diese Routinen sind sehr hilfreich, denn sie vermitteln meinen Patienten Sicherheit. Durch Wissen und Erfahrung kann ich zielgerichtet arbeiten. Die einzenen Stunden bauen aufeinander auf, und wir arbeiten systematisch an den einzelnen Aufgaben und Übungen.
Immer anders als geplant
Das Besondere ist jedoch, dass jede Therapiestunde anders ist als geplant. Genau das gefällt mir so sehr an meiner Arbeit. Wenn beispielsweise der fünfjährige Leon seinen großen Bruder Karl mitbringt, dann lasse ich ihn nicht im Warteraum sitzen. Er ist dann einfach genau wie seine Mutter in der Therapiestunde dabei. Karl wird kurzerhand zu meinem Co-Therapeuten. Er muss genau hinhören, ob sein kleiner Bruder das Wort richtig gesprochen hat. Karl kann mir aber auch berichten, wie das Üben zu Hause klappt und welche Unterstützung Leon benötigt. Das ist für meine Arbeit natürlich sehr hilfreich, denn ich kann noch besser auf ihn eingehen.
Von meinen Patienten lernen
In den letzten Jahren wurden immer mehr Therapieansätze klar definiert. Das bedeutet, dass die einzelnen Schritte vorgegeben werden und weniger Spielraum zulassen. Dadurch verliert die Therapie jedoch an Lebendigkeit und Dynamik. Da jeder Mensch einzigartig ist, können wir ihm nicht ein Therapiekonzept überstülpen. Aus diesem Grund weiche ich auch immer wieder bewusst von der Lehrmeinung ab. Ich versuche herauszufinden, was mein Patient gerade braucht. Erwachsene Patienten kann ich direkt danach fragen, die Kinder beobachte ich ganz genau. Sie zeigen mir in ihrem Verhalten, wie ich sie unterstützen kann. So etwas steht jedoch nicht im Lehrbuch, wir können es nur selbst herausfinden.