Ängstliche Kinder

Ängstliche Kinder

Ängstliche Kinder

In meiner Praxis erlebe ich es immer wieder, dass Kinder nicht nur zurückhaltend sind, sondern ausgesprochen ängstlich. So war es auch beim vierjähigen Luca. Als seine Mutter telefonisch um einen Termin bat, war sie selbst unsicher, ob sich eine Therapie überhaupt lohnt. Der Junge sei so ängstlich.

Panik beim ersten Termin

Zum vereinbarten Termin höre ich ein lautes Brüllen auf der Straße. Das Brüllen kommt näher, jetzt ist es im Hof und dann direkt vor meiner Tür. Ich frage mich,wie sich die erste Begegnung wohl gestalten wird. Als ich die Tür öffne, brüllt Luca wie am Spieß, schlägt um sich und lässt sich von seiner Mutter nicht mehr beruhigen. Ich begrüße die beiden und bitte sie in den Therapieraum. Der kleine Junge hat panische Angst vor der neuen Situation.

Angst vor dem Versagen

Angst erlebe ich aber auch bei anderen Kindern, die zur mir in die logopädische Behandlung kommen. Da ist z.B. der sechsjährige Paul. Er weiß genau um seine Aussprachestörung. Ich zeige ihm, wie der das /k/ sprechen kann, doch er dreht sich beschämt weg.  "Komm, versuch es doch mal", sage ich. Doch  er weigert sich. Zu groß ist die Angst, er könnte es falsch machen. Ich komme nicht weiter. Wenn ich ihn noch weiter dränge, beginnt er zu weinen und wirft sich vor Wut auf den Boden.

Eltern als Mittler und Co-Therapeuten

Ohne die Eltern schaffe ich es nicht. Aus diesem Grund baue ich immer eine möglichst stabile Beziehung zu den Eltern auf. Die Kinder fühlen sich sicher, wenn sie spüren, dass unter uns Erwachsenen die "Chemie" stimmt. Pauls Mutter wird genau angeleitet, wie sie mit ihrem Sohn zu Hause üben kann. Sie ist meine Co-Therapeutin. Und tatsächlich, zu Hause in der vertrauten Umgebung klappt es. Und so machen wir es Woche für Woche: Ich zeige Pauls Mutter die logopädische Übung, und zu Hause wird dann gearbeitet. Manchmal muss man eben ungewöhnliche Wege gehen, um zum Ziel zu gelangen.

Strahlende Augen

Bei Luca entwickelt sich die Sache überraschend anders. Ich setze mich zu ihm auf den Fußboden und bin einfach da, warte ab. Große blaue Kulleraugen schauen mich mit einer entwaffnenden Offenheit an. Und plötzlich wird er ganz still. "Wollen wir mal schauen, was in der großen Kiste ist?", frage ich ihn. Er nickt, und wir beginnen zu spielen. Von da an kommt Luca jede Woche fröhlich plappernd zu mir in die Praxis.