begleiten statt therapieren

Begleiten statt therapieren

Der Patient bestimmt den Weg

Statt zu therapieren begleite ich die Menschen, die zu mir in die Praxis kommen. Warum das so ist, möchte ich an dieser Stelle erläutern. In der Therapie erwartet man häufig, dass man therapiert und damit auch geheilt wird. Das Wort heilen wiederum bedeutet so viel wie "ganz" bzw. "vollständig" werden. Als Therapeutin habe ich oft eine Idee, was dem Patienten fehlt, aber am besten weiß er es selbst. Viel wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass der Patient den Weg zum "ganz werden" bestimmt. Er entscheidet, welche Schritte er geht, in welchem Tempo er arbeitet und wann er Pausen benötigt. Da jeder Mensch andere Bedürfnisse hat, ist das individuell sehr verschieden.

In meiner Rolle als Therapeutin geht es zunächst darum, dass ich gut beobachte und wahrnehme. Darüber hinaus stelle ich zahlreiche Fragen. Ich möchte genau wissen, was einen Patienten zu mir führt und welche Unterstützung er benötigt. Ich selbst verfüge natürlich über einen Werkzeugkasten an Methoden und Übungen, aber ich kann nur Angebote unterbreiten. Bei jeder Übung überprüfe ich, ob sie für den Patienten tatsächlich geeignet ist.

Besonders deutlich zeigen mir Kinder, was sie für den nächsten Entwicklungsschritt benötigen. Sollte ich mit ihnen nach meinen eigenen Maßstäben arbeiten, so kämen wir keinen Schritt weiter. Wenn ich jedoch wertschätze, was sie bereits können und eine Brücke zum nächsten Schritt baue, sind die Erfolgschancen wesentlich höher.

Erwachsenen Patienten biete ich verschiedene Wege an und lasse sie die Entscheidung treffen. Manchmal gehen wir auch Umwege, aber sie lohnen sich oft. Da wir im Erwachsenenalter oft ziemlich "verkopft" sind und ich in der Therapie ungewohnte Freiräume eröffne, kann das am Anfang irritierend sein. Je mehr der Patient sich jedoch nach seinen Bedürfnissen ausrichtet, umso höher sind die Erfolgschancen. Mich ist es wichtig, dass Menschen wieder ihren inneren Kompass aktivieren, denn er ist von unschätzbarem Wert.

Dass ich Patienten auf ihrem Weg begleite und lediglich den Rahmen zur Verfügung stelle, hat eine tiefreichende Bedeutung. Ich gebe den Menschen das Gefühl von Autonomie und Selbstwirksamkeit. Damit sind sie zu jedem Zeitpunkt in der Lage, den Therapieverlauf mitzustimmen. Der Grundgedanke von Selbstermächtigung von betroffenen Personen hat in den vergangenen Jahren vor allem in der sozialen Arbeit und Pägadagogik als "Empowerment" Einzug gehalten.