Kürzlich mitten in der Therapiestunde mit der sechsjährigen Anna: "Meine Mutti hat Ärger auf Arbeit und mit meinem Papa." Annas Mutter sitzt direkt neben ihr und fühlt sich sichtlich unwohl. Da erzählt ihre Tochter nun die privatesten Dinge, die mich eigentlich nichts angehen. Ich spüre ihre Verunsicherung und sage zu Anna: "Ja, und Du hast die allerbeste Mama der Welt, die Dich sehr lieb hat.". Das Mädchen schaut mich an und nickt. Sie fühlt sich gehört und ist mit meiner Antwort zufrieden. Damit können wir unsere Übung fortsetzen. Ihre Mutter schaut dankbar zu mir.
Kinder wissen um die Probleme ihrer Eltern
Die meisten Eltern verbergen ihre Probleme vor ihren Kindern. Sie sollen behütet aufwachsen und nichts von den familiären Sorgen erfahren. Und doch haben die Kinder sehr feine Antennen und bekommen sehr viel von ihrer Umgebung mit. Sie wissen von den Konflikten der getrennt lebenden Eltern, von den finanziellen Nöte der alleinerziehenden Mutter und ihrer beruflichen Belastung oder von der Beeinträchtigung des seelisch kranken Vaters.
Das Aussprechen hilft bereits
Anfangs war ich verblüfft über die Direktheit der Kinder. Sie sagen manchmal Dinge, die mir völlig aus dem Zusammenhang gerissen sind. Wenn ich aber genau hinhöre, dann sagen sie genau das, was sie gerade beschäftigt und was ihnen wichtig ist. Aus diesem Grund ist es aus therapeutischer Sicht wenig hilfreich, ihre Aussagen zu ignorieren. Wenn Kinder sich gehört fühlen, dann fühlen sie sich ernst genommen. Sie müssen diese Gedanken nicht mehr mit sich herumtragen, wenn sie einmal ausgesprochen sind. Damit erfahren sie eine Entlastung.
Ein geschützter Raum
Verschwiegenheit gehört zur Pflicht in meinem Beruf. Während meine kleinen Patienten als auch Erwachsene viele Dinge nicht immer mit anderen Menschen teilen können, biete ich einen geschützten Rahmen. Hier darf alles gesagt werden, denn es bleibt in meinem Therapieraum. Die Probleme sind damit zwar nicht weggezaubert, aber manchmal fühlt es sich einfach ein kleines bisschen leichter an.