Junge Mütter - Kindermütter

Junge Mütter – Kindermütter

Junge Mütter - Kindermütter

Als das Telefon klingelt und ich den Hörer abnehme, spricht eine leise, mädchenhafte Stimme. "Mein Kind redet nicht, ich weiß nicht weiter". In der kurzen Aussage schwingt Sorge und Unsicherheit. Wir vereinbaren einen Termin, ich gebe eine detaillierte Wegbeschreibung und hake nach: "Schaffen Sie den weiten Weg quer durch die Stadt zu mir?" - "Natürlich, ich mache alles für mein Kind."

Ein Kind mit einem Kind

Die Mutter kommt viel früher als vereinbart. Sie möchte sicher sein, dass sie meine Praxis findet und pünktlich erscheint. Mit ihrem Sohn wartet sie geduldig. Während ich sonst aus dem Wartezimmer oft laute Kinderstimmen höre, ist es diesmal ganz still, denn sie möchte auf keinen Fall auffallen. Sie ist eine von diesen Müttern, die sich immer hinten anstellen, nie um etwas bitten oder gar etwas einfordern und ständig übersehen werden. Endlich bitte ich sie in den Therapieraum. Und da steht sie vor mir: eine schmale junge Frau, die in ihrem viel zu großen Pullover zu versinken scheint. Zerbrechlich und unsicher wirkt sie, fast noch selbst ein Kind. Hinter ihr versteckt sich ihr kleiner Sohn, der sich an ihrem Hosenbein festhält.

"Ich bin so verunsichert."

Der kleine Luca ist so schüchtern, dass er die ganze Zeit auf dem Schoß seiner Mutter sitzt. Er möchte nicht den Raum erkunden oder das angebotene Spielzeug ausprobieren, sondern hört uns beiden einfach zu. Die "Kind-Mutter" berichtet von ihrem Sohn, seiner Entwicklung aber auch von ihrem Alltag. Alleinerziehend und ohne elterliche Unterstützung ist es schwierig, jeder Tag stellt sie vor neue Herausforderungen. Sie weiß nicht, wie sie mit Luca spielen und sich beschäftigen soll, weil sie es selbst nicht erleben durfte. Gleichzeitig spüre ich, dass sie ihr Bestes gibt. Luca spricht noch nicht, und sie möchte ihm so gern helfen.

"Ich mache alles für meinen Sohn."

Wir sprechen über das mögliche logopädische Vorgehen und Organisatorisches. "Es kann sehr anstrengend für Sie werden, wenn Sie jede Woche zu mir kommen.", sage ich. Durch die Unzuverlässigkeit der Straßenbahnen ist es jetzt im Winter noch mühevoller geworden, von einem zum anderen Ende der Stadt zu gelangen. Eigentlich ist es fast nicht zumutbar, denke ich. "Ich mache alles für meinen Sohn.", antwortet sie. Diesen Satz höre ich oft von Müttern, die es im Leben besonders schwer haben. Ich habe ihn immer als etwas pathetisch abgetan, aber erst jetzt verstehe ich ihn. Das Kind gibt ihr die Kraft und die Zuversicht, die sie jeden Tag so dringend braucht. Es gibt ihr den Mut, nach vorne zu schauen und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Der kleine Luca hat uns die ganze Zeit zugehört, jetzt sehe ich ein klitzekleines Lächeln auf seinen Lippen.