Märchen in der Therapie

Märchen in der Therapie

Märchen in der Therapie

Mit Pia arbeite ich schon lange. Sie besucht die Sprachheilschule und benötigt zusätzlich Logopädie. Obwohl ihr das Sprechen sehr schwer fällt, kann sie sehr gut lesen. Also lesen wir gemeinsam ein Märchen.

Ressourcen nutzen

In der Therapie ist es mir wichtig, dass Kinder stets in dem bestärkt werden, was sie schon gut können. Sie wissen selbst nur gut genug, was ihnen schwer fällt. Pia liest nicht nur flüssig, sondern ist dabei auch viel verständlicher. Ihre Aussprache ist besser, wenn sie etwas laut liest, denn sie konzentriert sich Wort für Wort. Auch ihre Mutter ist glücklich über den Erfolg ihrer Tochter. Wir lesen zusammen Rotkäppchen.

Die Märchenfiguren

Doch Pia hat noch eine andere Gabe: sie ist kreativ und kann sehr gut zeichnen und basteln. "Wollen wir die Märchenfiguren basteln?", frage ich sie. Pia strahlt und überlegt sofort, wer von uns welche Märchenfigur bastelt. Sofort verteilt sie die Aufgaben: ihre Mutter gestaltet den Wolf, die Großmutter und den Brunnen, sie selbst die Mutter und Rotkäppchen und ich den Jäger. Erst werden die Figuren aufgezeichnet, dann farbig ausgemalt, auf einen Karton geklebt und ausgeschnitten. Zum Schluss erhalten sie einen einen Holzstab zum Festhalten. Das gemeinsame Gestalten von Mutter und Tochter ist ein besonders wertvoller Prozess. Sie genießen die gemeinsame Zeit, helfen sich gegenseitig und bewundern ihre Ergebnisse.

Das Märchentheater

In der folgenden Woche bereite ich Pappkartons vor, denn ein Schuhkarton ist zu sperrig zum Aufbewahren. "Lass uns noch ein Märchentheater bauen.", schlage ich vor. Auch jetzt hat Pia eigene Ideen, die ein stabiles Theater gebaut werden kann. Nur beim Schneiden des Kartons darf ich helfen, den Rest macht sie allein. Das Theater wird liebevoll gestaltet. Pia bemalt es farbig, klebt Schmetterlinge und Blumen auf. Zum Schluss schreibt sie in großen Buchstaben "Mama" auf. Als ihre Mutter das sieht, ist sie zutiefst gerührt.

Lass uns das Märchen spielen!

Endlich ist alles fertig: die Figuren und das Theater. Jetzt können wir das ganze Märchen als Puppentheater aufführen. Pia verteilt die Rollen, dann geht es los. Gemeinsam erzählen wir das Märchen vom Rotkäppchen, spielen mit den Figuren, wir lachen und staunen. Pia und ihre Mutter sind überglücklich. Alle Alltagssorgen sind verschwunden. Was zählt, ist nur das Hier und Jetzt. Wir vereinbaren eine Therapiepause, doch Pias Mutter denkt noch lange an diesen schönen Moment zurück, in der sie  selbst für eine kurze Zeit wieder ein Kind sein durfte.