Als Referentin in Zürich
Von der Lehrtätigkeit an der Hochschule habe ich mich vor vier Jahren verabschiedet. Sie fehlt mir nicht, denn meinen Arbeitsalltag und den täglichen Umgang mit Patienten erlebe ich als zutiefst sinnstiftend. Und doch fehlt mir der fachliche Austausch mit Kollegen. Diese Überlegung war der Anlass zu einer Weiterbildung in der Schweiz.
Eine lange Vorbereitung und ein weiter Weg
Weiterbildungen werden zwei Jahre im Voraus geplant. Durch die vielen Arbeitsjahre in der Schweiz kenne ich die Arbeitsbedingungen der Logopäden gut und kann ihre Bedürfnisse berücksichtigen. Es ermöglicht mir eine passgenaue Vorbereitung. Die Eltern meiner (kleinen) Patienten sind sehr offen sind und gestatten sie mir, dass ich die Bilder ihrer Kinder den Kollegen zeigen darf. Dank ihrer Unterstützung habe zahlreiche Praxisbeispiele im Gepäck. Als mein Zug gestrichen wird, setze ich mich kurzerhand ins Auto. Wie durch ein Wunder gelange ich auf schnell und staufrei direkt nach Zürich. Man hat mir ein Hotelzimmer in schönster Lage gebucht.
Die schweizer Logopädinnen
Die schweizer Logopädinnen begrüssen mich alle persönlich. Ihr Beruf genießt eine hohe Anerkennung, denn sie haben alle einen akademischen Abschluss, oft sogar verbunden mit einem zusätzlichen Lehramtsstudium. Vor allem aber sind sie fachlich stets auf dem aktuellen Stand. Im Weiterbildungsprogramm der Zürcher Logopäden sind sich die rennomiertesten Fachexperten aus dem deutschsprachigen Raum vertreten. Die Erwartungshaltung an mich ist entsprechend hoch.
Wie ein schweizer Uhrwerk
Die Weiterbildung ist perfekt vorbereitet. Die sprichwörtliche Höflichkeit und Pünktlichkeit ist allgegenwärtig. Pausen werden genau auf die Minute eingehalten. Selbst als es am Nachmittag unerträglich heiß wird, arbeiten alle dizipliniert aber auch mit Freude mit. Gerade weil man sich im Großen wie im Kleinen an Regeln hält, funktioniert eben auch alles.
"Aber ich bin doch Logopädin!"
Die schweizer Höflichkeit erschwert es manchmal, kritische Fragen zu stellen und nachzuhaken. Umso mehr freue ich mich, als eine Logopädin meinen Therapieansatz in frage stellt. "Ich bin doch Logopädin", sagt sie. "Wie soll ich meine logopädischen Ziele erreichen, wenn ich mit den Kinder einfach nur male?". Über zwei Tage gehe ich immer wieder auf ihre Frage ein, stelle Querverbindungen her, bringe Beispiele aus meiner Praxis. Es ist mir wichtig, dass ihre Frage beantwortet wird, denn sonst hat sie ein ganzes Wochenende umsonst im Seminarraum verbracht.
Die Selbsterfahrung
Kunsttherapie ist jedoch eine schwierige Angelegenheit, wenn man sie nicht selbst erfährt. Über zwei Tage hinweg führe ich mit den Logopädinnen Übungen zur Selbsterfahrung durch. Erst wenn sie selbst spüren, was es mit ihnen macht, dann können sie den Ansatz tatsächlich nachvollziehen. Das eigene Führen und Wahrnehmen steht immer wieder im Mittelpunkt. Manchmal lassen sie die Dinge eben nicht in Worte fassen.
Die Erkenntnis
Die Übungen zur Selbsterfahrung habe ich jedoch noch aus einem weiteren Grund ausgewählt. Als Therapeuten und sind wir gefordert, gut für uns zu sorgen. Unser eigenes seelisches Gleichgewicht ist die Grundlage allen therapeutischen Handelns. Als wir die letzte Übung durchführen, lasse ich den Logopädinnen besonders viel Zeit. Alle versinken ins Tun und möchten gar nicht mehr aufhören. In diesem Moment begreift die kritische Teilnehmerin, worum es wirklich geht. Sie wirkt tieft berührt und nimmt ihre ganz persönliche Erkenntnis mit nach Hause. Ich selbst habe viel im Austausch mit meinen Fachkolleginnen gelernt und kann meine eigene Arbeit weiterentwickeln. Dafür bin ich dankbar.