Selbstermächtigung in der Therapie: Die Dinge selbst in die Hand nehmen
Vor einiger Zeit kam ein Patient zu mir in die Praxis, der in großer Not war. Wir arbeiteten zweimal pro Woche. Gleich zu Beginn der Therapie sagte ich ihm, dass er nur für eine Weile zu mir kommen und dann wieder selbst sein Leben in die Hand nehmen wird. Er schaute mich verwundert an. Die Therapiestunden bei mir gaben ihm Sicherheit und Struktur. Wie solle er wohl ohne sie zurechtkommen? Er konnte es sich damals noch nicht vorstellen.
Eine "Krücke" auf Zeit
Ich selbst betrachte mich als eine Art "Krücke", die man sich vorübergehend ausleihen kann. In der Therapie vermittle ich Sicherheit und Halt, vor allem im Lebenskrisen und Umbrüchen. Aber wer möchte schon dauerhaft mit einer Krücke durch`s Leben laufen? Und so arbeite ich immer mein Ziel, dass Menschen nach einer Weile wieder ohne mich zurechtkommen. Eine Therapeut-Patient-Abhängigkeit liegt mir völlig fern. Daher gebe ich meinen Patienten das Werkzeug an die Hand, mit denen sie eigenständig Herausforderungen bewältigen können.
Das Zauberwort heißt Selbstermächtigung
Seit einigen Jahren hört und liest man vermehrt von dem Begriff "Selbstermächtigung" bzw. "Empowerment", doch was hat es damit auf sich? Mit Selbstermächtigung geben wir uns selbst die Erlaubnis, unser Leben frei und eigenverantwortlich zu gestalten. Am Anfang kann das ziemlich anstrengend sein, wenn uns niemand mehr an die Hand nimmt und uns sagt, was wir tun sollen. Es kann auch sein, dass wir auf unserem Weg Fehler machen. Wenn wir aber tatsächlich unser Leben selbst gestalten, ensteht ein Gefühl von tiefer Zufriedenheit. Dann haben wir das Gefühl, in unserem Wesen anzukommen.
Sich selbst ermächtigen in der Therapie
In der Therapie arbeite ich ressourcen- und lösungsorientiert. Dabei gehe ich immer davon aus, dass jeder Mensch die Antworten seiner Probleme in sich trägt. Durch gute Fragen gelangen die Antworten ins Bewusstsein. Die Kunsttherapie leistet dabei eine wichtige Hilfe, denn sie macht die Antworten deutlich sichtbar. Der Patient, von dem ich eingangs berichtete, reduzierte schon bald die Therapiefrequenz auf einmal pro Woche. Am Ende gewann er so viel Sicherheit, dass er mich nicht mehr benötigte. Das Therapieziel war erreicht: er hatte sich selbst ermächtigt.