Kinderzeichnungen als diagnostisches Instrument
Kinder zeichnen bei mir viel. Oft gebe ich ihnen bereits in der ersten Stunde Papier und Stifte. Wenn ich mich mit den Eltern unterhalte, können sie ganz in Ruhe zeichnen. Manchmal schließe ich auch bewusst die Therapiestunde mit einer kleinen Zeichenübung ab. Mit der Zeit fordern die Kinder sogar das Zeichnen ein.
Meist stelle ich nur Papier und Stifte bereit. Die kleinen Kinder dürfen meist das zeichnen, was sie möchten. So können sie ganz frei gestalten und das Material ausprobieren. Interessant ist, dass sie alle Freude daran haben. Der Satz "Ich kann nicht zeichnen" kommt erst mit der Schule. Ist das Bild fertig, so würdige ich es. Wir freuen uns gemeinsam daran. Ich frage nicht nach, was es bedeutet. Die Kinderzeichnungen geben mir genügend Antworten, denn sagen sie etwas über den allgemeinen Entwicklungsstand aus: Zeichnen die Kinder Kritzel, entstehen Rundungen oder gar ein Kreis? Hat der Kreis kleine Striche wie eine Sonne? Entsteht ein Kopffüßler?
Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen sind auch oft in ihrer allgemeinen Entwicklung verzögert. Die Zeichnungen helfen mir, das besser einzuordnen. Umgekehrt kann ich sprachliche Fortschritte mit Fortschritten des Zeichnens in Verbindung bringen. Dies möchte ich an einem Beispiel illustrieren: Ein dreijähriger Junge kam zu mir und sprach anfangs nur drei, vier Wörter. Monat für Monat kam er zur Logopädie, und so kamen Stück für Stück neue Wörter hinzu. Als er "ich" sagte, malte er zum ersten Mal einen Kopffüßler. Ich war tief beeindruckt.
Die Kinderzeichnungen werden in einem Hefter gesammelt. Sie geben eindrücklich den Prozess der Kinder in der Logopädie wider. Am Ende nehmen sie ihre Arbeiten mit nach Hause. Wenn wir uns zum Schluss alle zeichnungen anschauen, dann staunen die Eltern, die Kinder und auch ich. Für mich gehören Kinderzeichnungen und logopädische Übungen zusammen. Sie ergänzen sich wunderbar und geben mir die Möglichkeit, das Kind in seiner Ganzheit zu verstehen.