Kleine Kritzeleien

Kleine Kritzeleien

Mir fehlt es an einer Malunterlage, als ich kurzerhand einen großen Bogen Packpapier auf die gesamte Tischplatte klebe. So kann der Tisch nicht schmutzig werden. Schon schnell zeigt sich, dass das Papier eine Einladung zum Malen, Stempeln und Schreiben ist, und so entsteht eine farbenfrohe Gemeinschaftarbeit.

Lass uns stempeln

Wie so oft in der Therapie verwende ich Stempel. Doch die kleine Luna hat noch nie gestempelt und Schwierigkeiten mit der Feinmotorik. "Schau, so geht es.", zeige ich ihr und stemple gleich ein Eichenblatt auf den Tisch. Gemeinsam machen wir einige Probestempel, bevor wir auf dem Blatt Papier weiterarbeiten. Kaum fertig mit der Therapiestunde, kommt Felix herein und betrachtet den Stempel auf dem Tisch. Er nimmt sich einen Farbstift und zeichnet in großen Schwüngen Kreise dazu. Wie langweilig dagegen, auf einem DIN-A 4 Papier zu zeichen.

Kitzeln und entspannen

Nicht nur die Kinder erfreuen sich darüber, endlich einmal einen Tisch anmalen zu dürfen. Die Eltern, oft müde und erschöpft, greifen ebenfalls zu Stift. Sie kritzeln gedankenlos, was ihnen gerade einfällt. Ein Stimmpatient kommt und staunt über all die Kritzeleien. Am Ende der Therapiestunde greift auch er zum Stift und zeichnet einen lachenden Smiley dazu.

Geschwisterkinder

Nun kommt Ben mit seiner großen Schwester Sophie. Das stille Mädchen überlässt das Üben ihrem Bruder und zeichnet die gesamte Stunde vor sich hin. Am Rand des Tisches entsteht eine Hafenlandschaft mit Leuchtturm - Urlaubserinerungen. Von den Kritzeleien der Kleinkinder lässt sie sich nicht stören, sie zeichnet einfach darüber.

Angefangenes fortführen

Als  mit Emma den logopädischen Übungen fertig ist, zeichnet sie ein Häuschen, aber es wird nicht fertig. Es fällt ihr schwer, es so unvollendet zu lassen. Doch der kleine Finn zeichnet daran einfach weiter. Er hat seine ganz eigenen Ideen und ergänzt ein Nachbarhaus. Und schließlich schreibt Ben, der mit dem Lesen und Schreiben seine Probleme hat, einige Wörter in Schreibschrift dazu.

Kalaidoskop des Therapiealltags

Innerhalb weniger Wochen ist der Arbeitstisch ein Abbild meines therapeutischen Alltags und ihrer Patienten abgebildet. Alter, Tagesverfassung und oft auch der logopädische Schwerpunkt sind auf dem Tisch erkennbar. Kinder, Jugendliche  und Erwachsene zeichnen intuitiv auf, was ihnen gerade einfällt, sie nehmen auf das Vorhandene Bezug, ergänzen, erweitern und übermalen. Obwohl sie sich nicht kennen, antworten sie auf das Gezichnete. In der Kunsttherapie sprechen wir von Resonanzbildern.